Die Lehrveranstaltung umfaßt die
Geschichte
und das
System
des Kirchenrechts. Sie zeigt die freie,
charismatische Ordnung der Urgemeinde, ihre allmähliche rechtlich-institutionelle
Verfestigung zur Bischofskirche, deren Erhebung zur Staatskirche
des Römischen Reiches im sog. "Konstantinischen System",
sowie die Verfremdung und Feudalisierung der Kirche in der Königskirchenherrschaft
der Ottonen und Salier und in der germanischen Eigenkirchenherrschaft
im Niederkirchenwesen. Sie behandelt die kirchliche Sammlung seit
der Kluniazenserreform, den epochalen Streit zwischen Kaiser und
Papst (Canossa, Wormser Konkordat 1122), die Entstehung des kanonischen
Rechts und des Papalsystems seit dem 12. Jahrhundert, die Auseinandersetzung
zwischen Konzil und Papst von den Reformkonzilien des 15. Jh.
bis zum 2. Vatikanum, sowie das Verhältnis zwischen Staat
und Kirche bis zur Gegenwart. - Das System des katholischen Kirchenrechts
bringt einen Überblick über die Rechtsstellung von Papst,
Kurie, Konzil, Bischöfen, Priestern und Laien, das Ämterrecht,
Ordensrecht, Sakraments- und Sachenrecht, Prozeß- und Strafrecht
in der Gestaltung des Codex Juris Canonici und seiner Reform.
Die Geschichte des evangelischen Kirchenrechts umreißt die
rechtstheologischen Grundpositionen der Reformation über
Kirche, Recht, Obrigkeit, Amt, Reich Gottes und Reich der Welt,
Widerstandsrecht u.a., schildert das protestantische Staatskirchentum
sowie das Reichskirchenrecht des Konfessionellen Zeitalters (Augsburger
Religionsfriede 1555 und Westfälischer Friede 1648), das
erstmals - modellartig - Koexistenzstrukturen gegenüber dem
Alleinvertretungsanspruch und Wiedervereinigungsstreben der beiden
Konfessions- und Weltanschauungsblöcke durchgeprobt hat.
Die Aufklärung führt zur Gewissensfreiheit und zum Kirchenbegriff
der "Religionsgesellschaften" (vgl. Art. 137 III WRV),
zur Abschichtung der Kirche vom Staat im 19. Jh., zur Entfaltung
der Kirchenfreiheitsgarantie und zur "Demokratisierung"
in der Synodal- und Presbyterialverfassung, die unter dem Summepiskopat
des Landesherrn mit Elementen der Konsistorialverfassung verschmilzt.
- Ein Abriß des geltenden evangelischen Kirchenrechts umfaßt
die Verfassungstypen der Landeskirchen, ihre Regelung von Bekenntnis
und Recht, Bischofsamt (bzw. Kirchenpräsidenten) und Synode,
Kirchenverwaltung, Pfarramt und Gemeinde, Wahlrecht, Sakramentsrecht,
Diakonie, sodann die Zusammenschlüsse in der EKD (Evangelische
Kirche in Deutschland), EKU (Evangelische Kirche der Union), VELKD
(Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in Deutschland), dem
Lutherischen Weltbund und dem Ökumenischen Rat der Kirchen.
Die Vorlesung dient dem Erwerb der erforderlichen Kenntnisse in
der Wahlfachgruppe Nr. 1 d) (§ 5 Abs. 4, § 8 Abs. 1
Nr. 2 JAPrO [1993]).
Literatur:
Erler, Kirchenrecht, 5. Aufl. 1983; Feine, Kirchl.
Rechtsgeschichte. [Bd. 1] Die kath. Kirche, 4. Aufl. 1964; Friedrich,
Einführung i. d. Kirchenrecht, 2. Aufl. 1978; Listl/Müller/Schmitz
(Hg.), Handbuch d. kath. Kirchenrechts, 1983; Listl/Pirson (Hg.),
Handbuch d. Staatskirchenrechts d. Bundesrep. Deutschland, 2.
Aufl./2 Bde. 1994/96; Stein, Evang. Kirchenrecht, 3. Aufl. 1992;
J. Heckel, Das blinde undeutliche Wort "Kirche", 1964;
M. Heckel, Gesammelte Schriften. Staat-Kirche-Recht-Geschichte,
2 Bde. 1989; ders., Deutschland im konfessionellen Zeitalter,
1983; ders., Zur Ordnungsproblematik des Staatskirchenrechts im
säkularen Kultur- und Sozialstaat, JZ 1993, 425 ff.; ders.,
Gleichheit oder Privilegien? Der Allg. u. d. Besondere Gleichheitssatz
im Staatskirchenrecht, 1993.
H
Mehlhausen:
Die
Amtshandlungen der Kirche. Ihre theologische und rechtliche B
egründung
im 16. Jahrhundert
Mo Mi 12-13; Beginn:
16.10.;
Die neu gewonnenen theologischen Erkenntnisse der Reformatoren führten zu tiefgreifenden Veränderungen in allen Bereichen der krichlichen Ordnung. Ein für die Transformation theologischer Erkenntnis in kirchliche Praxis besonders aufschlußreiches Gebiet stellen die sog. Amtshandlungen ("Kasualien") dar. In erster Linie sind hier Taufe, Trauung und Bestattung zu nennen; aber auch die von den Reformatoren neu entwickelte Konfirmation gehört zu diesem Bereich.
In der Vorlesung werden im Überblick die wichtigsten
Entwicklungen dargestellt. Dabei kommt den innerprotestantischen
konfessionellen Differenzierungen besonderes Augenmerk zu. Die
rechtliche Sicherung der jeweils neuen Amtshandlungspraxis in
den Kirchenordnungen wird fallweise nachgewiesen werden.
Literatur:
Da eine Monographie zum Vorlesungsthema fehlt, wird
zur Vorbereitung empfohlen, in den großen Nachschlagewerken
(TRE, RGG, EKL, WdC) einschlägige Artikel zu studieren (also
etwa: Amtshandlungen, Kasualien, Taufe, Trauung, Bestattung, Konfirmation).
Das Seminar befaßt sich mit ausgewählten
Grundproblemen aus der Geschichte und der Gegenwart des deutschen
Staatskirchenrechts und soll zu einigen aktuellen, in Theorie
und Praxis umstrittenen Fragen ausmünden. Das deutsche Staatskirchenrecht
ist aus einer langen Kette leidvoller Konflikte entstanden und
hat die daraus gewonnenen Erfahrungen in ein ausdifferenziertes,
ausgewogenes Rechtssystem eingebracht. Dieses sucht die Freiheit
und Gleichheit verschiedener Religionsgemeinschaften in der pluralistischen
Gesellschaft mit den säkularen demokratisch und rechtsstaatlich
bestimmten Staatszwecken auszugleichen und die Einheit der staatlichen
Rechtsordnng zu gewährleisten. Die Verschiedenheit zwischen
dem bekenntnisbestimmten Recht der Religionsgemeinschaften und
dem bekenntnisneutralen Recht des Staates führt zu Spannungen
und Gegensätzen, die das Staatskirchenrecht seit Jahrhunderten
behutsamen, freiheitlichen Lösungen zugeführt hat.
Folgende Referate werden ausgegeben:
1. Die Glaubensspaltung als Verfassungsproblem des
Alten Reichs. Auswirkungen der Reformation auf das Rechtssystem
der Kirche und der Reichsverfassung bis 1555
2. Die Koexistenzordnung der beiden Konfessionen
in der Religionsverfassung des Reichs im Augsburger Religionsfrieden
von 1555 und im Westfälischen Frieden von 1648
a) Wandlungen des Friedensbegriffs vom Wormser Reichslandfrieden
1495 zum Religionsfriedenssystem von 1555/1648
b) Die reformatorische Lehre "Von der Freiheit
des Christenmenschen" und die Ausgestaltung der Religionsfreiheit
im Reich 1555 und 1648
c) Formen und Wandlungen der Religionsgleichheit
(Parität) zwischen den Konfessionen
3. Die Veränderungen der Religionsverfassung
des Reichs durch die Ideen der Aufklärung
a) Der korporationsrechtliche Begriff der "Religionsgesellschaften"
b) Umdeutung der zentralen Institutionen des Reichs
4. Evangelische Kirchenverfassungstheorien im 16.-18.
Jahrhundert
a) Das Episkopalsystem
b) Der protestantische Territorialismus
c) Das Kollegialsystem
5. Das gewandelte Verhältnis zwischen Staat
und Kirche im 19. Jh.
a) Die Unterscheidung von Staatsgewalt und Kirchengewalt
b) Die Ausformung und die Wandlungen des Landesherrlichen
Kirchenregiments
6. Das staatskirchenrechtliche System der Weimarer
Verfassung
a) Vom christlichen Staat zum System konfessioneller
Neutralität
b) Bedeutungswandel der Weimarer Staatskirchenartikel
bei ihrer Rezeption in das System des Grundgesetzes
c) Das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften
und seine Grenze in der staatlichen Kirchenhoheit und in den allgemeinen
Schrankengesetzen nach Art. 137 III WRV/140 GG
7. Die neuen Grundfragen des Staatskirchenrechts
im Grundgesetz
a) Die Trennung von Staat und Kirche angesichts
der neuen Verflechtungen von Staat und Gesellschaft im modernen
Sozial- und Kulturstaatssystem
b) Wandlungen der Religionsfreiheit und ihrer Grenzen
c) Der Allgemeine und der Besondere Gleichheitssatz
im Staatskirchenrecht
8. Staatskirchenrecht und Kulturverfassung
a) Die theologischen Fakultäten
b) Religionsunterricht und Ethikunterricht bzw.
LER-Unterricht in Brandenburg
c) Die sakralen Kunstdenkmäler im staatlichen
Denkmalschutz des säkularen Staates
9. Staatskirchenrecht und Sozialstaatlichkeit
a) Wandlungen der Diakonie und Caritas im innerkirchlichen
Bereich
b) Die Kooperation von Staat und Kirche im Sozialstaatssystem
10. Die Finanzierung kirchlicher Bedürfnisse
im weltlichen Verfas sungsstaat
a) Staatsleistungen
b) Kirchengutsgarantie
c) Das Kirchensteuersystem
Für Theologen:
Das
Seminar ist ein Hauptseminar im Rahmen der Evang.-theol. Fakultät.
Auf die Erstattung eines Referates wird ein Hauptseminarschein
für die Fächer Kirchengeschichte, Kirchenordnung erteilt.
Anforderung:
Übernahme eines Referats
Anmeldung:
Die Referate
werden nach der Priorität der Anmeldung am Ende des SS 96
vergeben. Anmeldung bei Herrn Dr. Kraus, Zimmer 146 c, Neue Aula,
oder ( 29-72954/78125.
H
Mehlhausen:
Die
Entwicklung des Kirchenverfassungsrechts im 19. Jahrhundert. Von
Schleie
rmacher bis Sohm
Do 18-20; Beginn:
17.10.;
Die Geschichte des evangelischen Kirchenverfassungsrechts in Deutschland ist im 19. Jahrhundert im wesentlichen von zwei Bewegungen bestimmt worden, die - einander ergänzend und zugleich sich wechselseitig voraussetzend - insgesamt sehr zielstrebig in die gleiche Richtung wiesen. Man kann die erste dieser beiden Bewegungen als eine langsame Ablösung der Kirche vom Staat bezeichnen, die zweite als eine stufenweise Ausbildung eines eigenständigen kirchlichen Rechtskreises, der sich vom staatlichen Recht immer deutlicher abzuheben begann, rechtssystematisch aber nach dessen Prinzipien gestaltet blieb. Im Seminar werden an besonders herausragenden Beispielen Einzelschritte innerhalb dieser Gesamtbewegung aus den zeitgenössischen Quellen heraus rekonstruiert und analysiert.
Dabei müssen insbesondere die allgemeinen politischen
Entwicklungen in den deutschen Ländern und die schulbildenden
theologischen Neuansätze im deutschen Protestantismus insgesamt
mit beachtet werden.
Voraussetzung:
Kirchengeschichtliches Proseminar
Qualifikation:
Schriftlich ausgeführtes großes Referat; Hausarbeit
Anforderungen:
Bereitschaft zum selbständigen Quellenstudium; Kurzreferate
Anmeldung:
1. Sitzung
Literatur:
Joachim Mehlhausen, Kirche zwischen Staat und Gesellschaft.
Zur Geschichte des evangelischen Kirchenverfassungsrechts in Deutschland
(19. Jahrhundert), in: Gerhard Rau/Hans-Richard Reuter/Klaus Schlaich
(Hg.), Das Recht der Kirche. Bd. II: Zur Geschichte des Kirchenrechts,
Gütersloh 1995, 193-271. (Hier weiterführende Literaturangaben).
In nahezu allen Kirchenordnungen bzw. Kirchenverfassungen
werden in Präambeln bzw. Grundartikeln Aussagen über
die Bekenntnisbindung bzw. Bekenntnisbestimmung der jeweiligen
(Landes-) Kirche gemacht. Die zwischen diesen Texten bestehenden
inneren Verbindungen, Abhängigkeiten und spezifischen Differenzen
werden im Oberseminar historisch-kritisch und systematisch-theologisch
untersucht. Dabei wird von den Grundartikeln einiger deutscher
Landeskirchen ausgegangen; das eigentliche Ziel ist aber der Vergleich
mit den Lösungsvorschlägen zur Bekenntnisbindung, die
in protestantischen Landeskirchen aus ganz Europa derzeit in Geltung
sind.
Voraussetzung:
Besuch eines Kirchenordnungs-Seminars
Anforderungen:
Englisch-
und Französisch-Kenntnisse; weitergehende Sprachkenntnisse
sind erwünscht
Anmeldung:
Persönlich
ab Anfang Oktober in der Sprechstunde